Sucht ist kein Einzelschicksal

Alkohol, Medikamente oder Nikotin – viele Substanzen können süchtig machen. Der Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Moordorf bietet Rat und Hilfe für Abhängige und Gefährdete, aber auch deren Angehörige.

Ein Gläschen in Ehren, die tägliche Tablette zum Einschlafen oder der permanente Griff zur Zigarette: Es gibt viele Suchtmittel und prinzipiell kann jeder Mensch abhängig werden – und Gebrauch wird zum Missbrauch. Eine wichtige Anlaufstelle für Suchtkranke und deren Angehörige, die Hilfe suchen, ist der 1980 ins Leben gerufene Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe Moordorf. Seit April dieses Jahres haben Gerd (67) und Manfred (58) die Aufgabe des Gruppenbegleiters übernommen. Sie sind die Ansprechpartner der Selbsthilfegruppe, die sich wöchentlich jeden Freitagabend im Gemeindehaus der evangelischen Kirche in Moordorf trifft.

„In welchen schwierigen und verzweifelten Situationen sich Abhängige, aber auch deren Angehörige, befinden, kann ein Außenstehender nicht nachvollziehen“, wissen die beiden aus eigener Erfahrung. „Wir sind alkoholkrank und werden es – auch wenn wir seit vielen Jahren trocken sind – immer bleiben“, erzählen die beiden im Gespräch mit dem Sonntagsblatt über Ihre Krankheit. Alkoholismus gehört zu den häufigsten Abhängigkeitskrankheiten (siehe Infokasten). Eine, für die es keine Heilung, aber Hilfe gebe, wie die beiden ausführen.

Genau diese Hilfe, ohne die sie nicht von ihrer sucht losgekommen wären, hätten sie im Freundeskreis erfahren.

„Und die regelmäßige Teilnahme an den Treffen ist noch immer wichtig für uns“, sagen sie. Hier findet ein Austausch unter Betroffenen und ohne moralischen Zeigefingern statt. Die Unterstützung beinhaltet unverbindliche Beratungsgespräche und Informationen sowie die Vermittlung zu Entgiftungsbehandlungen und Beratungsstellen. Eine Nachbetreuung nach klinischer und ambulante Therapie gehört ebenfalls zu den Aufgaben.

„Uns ist es zudem ein Anliegen, durch eine gezielte Beschäftigung mit speziellen Themenbereichen eine intensive Auseinandersetzung und damit Denkanstöße zu ermöglichen, aus denen dann ein Nutzen gezogen werden kann.“

Der Freundeskreis sei genau das, was der Name besagt: ein Treffen unter Freunden. „Niemand muss etwas erzählen und es kann über alles gesprochen werden, was einem auf dem Herzen liegt.“ Dabei können sich alle sicher sein, dass das, was gesagt wird, nicht nach außen getragen wird, „denn wir nehmen die Schweigepflicht ernst“. Auch Einzelgespräche und Hausbesuche können auf Wunsch erfolgen. Des Weiteren finden über die Gesprächsabende hinaus Aktivitäten  und Ausflüge statt. „Es ist toll, dass die Kirchengemeinde uns die Räume zur Verfügung gestellt hat. Wir sind aber nicht kirchlich gebunden, sondern neutral und für alle Interessenten offen“, erklären die beiden Männer.

„Ich bin damals über meine Frau, die als Angehörige die Gruppe aufgesucht hat, zum Freundeskreis gekommen“, berichtet Gerd. „Es hat Überwindung gekostet, aber ich habe beim Freundeskreis Hilfe gesucht und Offenheit und Herzlichkeit bekommen“, ergänzt Manfred. „Die Gruppe ist wie ein Handlauf an einer Wand, den man ergreift, um wieder auf die Beine zu kommen.“

„Alkoholsucht ist eine Krankheit: Wir bieten Hilfe an, aber niemand kann gezwungen werden, diese anzunehmen“, stellen Gerd und Manfred heraus. „Ein Alkoholkranker will nicht wahrhaben, dass er süchtig ist. Und auch wenn der körperliche Verfall nicht verleugnet werden kann, schiebt man es weg: ‚Ich doch nicht, ich habe das im Griff‘, sagt man sich – und trinkt dann heimlich. Die Verleugnung wird im Umfeld oft gedeckt, denn die Angehörigen schämen sich genau so, wie derjenige, der trinkt.“ Und so erzählen sie Betroffenen, die die Gruppe aufsuchen, auch wie es Ihnen selbst ergangen ist – mit allen Höhen und Tiefen.

Zu letzteren gehören auch Rückfälle. Ein Glas Wein reichte zum Beispiel bei beiden aus, um nach langer Abstinenz wieder rückfällig zu werden. „Für Alkoholkranke gibt es kein kontrolliertes Trinken, das ist eine Illusion. Wenn ich nicht rückfällig werden will, muss ich die Finger vom Sprit lassen“, sagt Manfred. „Ich habe zehn Jahre exzessiv getrunken bis an die Obergrenze.“ Dann wäre der „Klick“ gekommen, das heißt, die Erkenntnis, „dass es so nicht weitergeht, ich etwas ändern will und Hilfe brauche. Denn ohne diese rutscht man immer tiefer ab, es gibt kein Halten. Und wenn es so weitergeht, bedeutet das das Ende der Ehe, das Ende der Existenz: Das gesamte soziale Umfeld wird wegbrechen und man sprichwörtlich in der Gosse landen.“ Doch die Abwärtsspirale lasse sich aufhalten, macht er Mut. Das erklärte Ziel der Gruppe sowie der Betroffene sei die zufriedene Abstinenz.